Eindrücke einer Taiwan-Reise

Es war der Oktober 2012 als ich das erste Mal meinen Fuß auf die Insel Taiwan setzte. In diesem Artikel schildere ich, wie Taiwan auf mich gewirkt hat. Es ist also ganz explizit eine subjektive Sichtweise eines Europäers, der Asien bisher nur in Form der östlichen Türkei erlebt hatte.

Gefühlt steht für mich die gesellschaftliche Grundhaltung in Taiwan mit einem Bein im Osten und mit dem anderen im Westen. Die fernöstlichen Wurzeln manifestieren sich oft in Traditionen. So wird zum Beispiel das Ehren älterer Personen groß geschrieben.

Wer einen Beweis dafür sucht, dass die Mentalität in vielerlei Hinsicht anders ist als zum Beispiel in Deutschland, der muss nur einmal in einen Laden gehen und den Kundenservice vergleichen. Die Verkäuferinnen und Verkäufer sind sehr freundlich, aufmerksam und ausgesprochen hilfsbereit. Dabei hatte ich nie das Gefühl, dass dieses Verhalten aufgesetzt war — vielmehr schien es mir so, als wäre die Kundenorientierung ein fester Bestandteil ihres Selbstverständnisses.

Allgemein kommt die Freundlichkeit, Höflichkeit und Geduld der Taiwaner Reisenden entgegen. Hotelangestellte beantworten gerne alle Fragen, die sich einem als Touristen so stellen. Englischkenntnisse bei den Reisenden und ein Hotel natürlich vorausgesetzt. In den Großstädten fand sich auch immer jemand, der Englisch sprechen konnte. Selbst dann, wenn die Verständigung mal etwas holpriger war.

Aber auch der westliche Einfluss hat für mein Empfinden deutliche Spuren hinterlassen. Die junge Generation in Taiwan ist betont lockerer als ihre Vorfahren. Freie Meinungsäußerung ist ihr wichtig und auch der Wunsch etwas von der Welt zu sehen. Während ich im Umgang mit japanischen Arbeitskollegen immer ein bisschen auf Zehenspitzen gegangen bin, um nicht in Fettnäpfchen zu treten, die für Europäer nicht offensichtlich sind, bin ich im Umgang mit Taiwanerinnen und Taiwanern entspannter.

Wenn man das erste Mal eine Reise in ein neues Land macht, stellt sich immer die Frage, wie man es bereisen soll. Taiwan ist von überschaubarer Größe.

Rundreisebus

Ein bequemer Rundreisebus mit leicht kitschiger Einrichtung

Eine Busrundreise, die mir einen Gesamteindruck vermittelt, erschien mir daher als eine gute Idee. Da ich wie die meisten in meiner Situation kaum ein Wort Mandarin kannte, suchte ich mir eine in englischer Sprache geführte Reisegruppe aus.

Hier darf ich vielleicht den Tipp einwerfen, sich vorher nach den Sprachkenntnissen des Tour-Guides zu erkundigen.

William der Tour Guide

William mit dem liebenswert schrägen Humor

Unserer stellte sich uns als “William” vor und war ein echt netter Kerl mit einem liebenswert schrägen Sinn für Humor. Sein Englisch ließ aber leider noch großzügig Raum für Verbesserung. In groben Zügen hat die Reisegruppe aber dann doch mitbekommen, was er uns über Taiwan mitteilen wollte. Und wenn die Wortfindung mal komplett daneben ging, dann hat er geduldig auf Nachfragen geantwortet. Servicementalität eben.

Die Organisation der Reise war mustergültig. Wir bekamen immer mehrere Vorschläge für Sehenswürdigkeiten und Möglichkeiten, lokale Küche zu genießen und wählten was uns am meisten interessierte. Ein paar kurze Telefonate von William während der Busfahrt und es war alles geregelt wenn wir an einem Zielort ankamen.

Die offensichtliche Schattenseite einer so gut durchorganisierten Reise ist, dass man fast unweigerlich auf die ausgetretenen Pfade ganzer Horden anderer Touristen kommt. Für überzeugte Individualreisende dürfte das eher abschreckend wirken. Taiwan ist besonders bei Festlandchinesen ein ausgesprochen beliebtes Reiseziel. So beliebt, dass in der Saison alle Hauptattraktionen gnadenlos überlaufen sind.

Busse stehen Schlange in der Taroko-Schlucht

Stoßstange an Stoßstange stehen die Busse in der Taroko-Schlucht

Die Taroko-Schlucht zum Beispiel ist zu Recht eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Taiwans. In meinem Fall war es lange vorher ungewöhnlich trocken, so dass das Wasser im Fluss sehr niedrig stand. Mit mehr Wasser wäre die Landschaft noch eindrucksvoller gewesen. Und mit weniger Menschen. Stoßstange an Stoßstange stand eine schier endlose Schlange an Bussen auf der Bergstraße. An einem bestimmten Punkt wurden alle Reisenden aus den Bussen ausgekippt und bekamen Helme zum Schutz gegen Steinschlag. Wir liefen dann in einem riesigen Pulk Menschen bis zu einer Aussichtsplattform. Je näher wir der Plattform mit ihrem Restaurant und Souvenirläden kamen, umso dichter wurden die Menschenmassen.

Allerdings fand ich sehr schnell heraus, dass man durchaus ein bisschen Abgeschiedenheit genießen kann, wenn man bereit ist, ein wenig zu Fuß zu gehen. Schon hundert Meter den Bergpfad an der Felswand hinauf war ich fast alleine. Genau genommen hatten anscheinend nur Europäer genug Luft in Ihrem Zeitplan, um die Felswände zu erklimmen und den Blick hinab ins Tal zu werfen.

Einen großen Teil der Rundreise machten die Besichtigungen von Tempelanlagen aus. Der “Licht-von-Buddha-Tempel” war dabei der für mich beeindruckendste. Es handelt sich um eine gewaltige Anlage, die fast eine komplette Anhöhe einnimmt.

Wenn ich gefragt werde, welches Erlebnis für mich Taiwan am besten charakterisiert, dann denke ich automatisch an die Nachtmärkte.

Nachtmarkt in Kaoshiung

Der Nachtmarkt in Kaoshiung ist einen Besuch wert

In Kaoshiung zum Beispiel wird Nachts eine ganz normale Straße in der Innenstadt gesperrt und in Windeseile werden Verkaufsstände aufgestellt.

Street Food auf dem Nachtmarkt

Verkaufsstände für Street Food bestimmen das Bild der Nachtmärkte

Von Garnellenspießen bis zum Mobiltelefon kann man dort alles kaufen. Auf mich wirkt das bunte Treiben mit den Leuchtreklamen und Laufschriften wie eine Mischung aus ad-hoc Jahrmarkt und Versammlung der Imbissbuden-Innung. Die Stimmung ist sehr ausgelassen und das “Street Food” lecker und vergleichsweise günstig. Besonders Neugierige können dort auch Speisen probieren, die — so habe ich mir von Einheimischen sagen lassen — teilweise auch eher als Mutprobe angesehen werden.

Bisher habe ich es vermieden über das Wetter zu sprechen. Für einen Mitteleuropäer kann das Klima in Taiwan eine echte Herausforderung sein. Schwül und heiß im Sommer, stürmisch, nass und kühl im Winter. Der Himmel ist im Herbst und Winter oft verhangen und das Licht sehr diffus, was für Fotographen oft Zähneknirschen erzeugt. Allerdings kann Nässe und Sturm durchaus auch einen rauen Charme besitzen.

Inselhüpfen

Drei kleine Inseln, durch Brücken verbunden

Mir ging es so, als ich die drei kleine Inseln besucht habe, die durch Brücken mit einander verbunden waren.

Ein Sturm zieht auf

Schlechtes Wetter hat auch seinen Reiz

Taiwan hat auch traurige Seiten. Extreme Wetterlagen und Erdbeben setzen der Bausubstanz arg zu. Einfache Häuser halten diesen Bedingungen oft nur 30 Jahre stand.

Verfallenes Haus

Extremwetter und Erdbeben setzen einfachen Häuser zu

Die sehr hohe Luftfeuchtigkeit sorgt allerorten für Rost und an vielen Wänden für Schimmel.

Die Großstädte sind dicht besiedelt. Wohnraum ist kostbar und folgerichtig teuer. Grün sucht man in Ballungsgebieten oft vergeblich, denn der knappe Raum ist vollständig baulich erschlossen.

Straßenhund

Eine abgemagerte Straßenhündin ist ein typischer Anblick

Straßenhunde gehören zum ganz normalen Stadtbild. Sie sind oft stark abgemagert und ihre Scheu zeigt, dass sie nicht immer gute Erfahrungen mit Menschen gemacht haben.

Auf meiner Reise habe ich verteilt über ganz Taiwan viele von ihnen gesehen. In ländlichen Regionen mehr als in den Großstädten.

 

Alles in allem ist Taiwan ein faszinierendes Reiseland mit viel Licht und auch ein paar Schatten. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Wer mit dem tropischen Klima zurecht kommt, dem kann ich einen Besuch in Taiwan nur ans Herz legen.

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